Ein Blick zurück auf unser Programm 2018 Otello darf nicht platzen
Eine Kleinstadt im Tito Merelli-Fieber! Die weltberühmte Bühnengröße Merelli, großartigster Sänger aller Zeiten, Publikumsliebling und Star auf allen Kontinenten, gibt erstmals ein Gastspiel in Cleveland – nur: Er ist nicht da, sondern schon seit Stunden überfällig. Als er schließlich doch eintrifft, ist die Erleichterung der Operndirektion nur von kurzer Dauer: Ehekrach, Verdauungsprobleme, Müdigkeit, Verwechslung von Tabletten – Endergebnis: Merelli schläft wie tot, der Operndirektor tobt, die Vorstellung droht zu platzen. Ein Albtraum für jeden Impresario. Doch da wittert Max, das Mädchen für alles, seine große Chance: Schon lange träumt er von einer Karriere als Sänger und bietet sich als Otello an. Zunächst scheint alles nach Plan zu verlaufen, bis der scheintote Tenor unverhofft aus seinem Tiefschlaf erwacht und die Protagonisten in aller Ernsthaftigkeit von einer Katastrophe in die nächste schlittern… Die schwungvolle Boulevard-Komödie über Starbetrieb und Theaterwahnsinn stammt aus der Feder des 1950 in York, Pennsylvania, geborenen Dramatikers Ken Ludwig, der zahlreiche Hits am Broadway und dem Londoner West End landete. Auch Otello darf nicht platzen, 1986 uraufgeführt, avancierte binnen kürzester Zeit zum Publikumsliebling und erhielt insgesamt neun Nominierungen für den Tony Award. In Ötigheim wurde das Schauspiel inszeniert von Hannes Beckert. Als Tito Merelli agierte Paul Hug.
kleine bühne im Tellplatz-Casino, Ötigheim
Besetzung
Moderation, Radio Ohio in Cleveland Cynthia White
Regie Hannes Beckert
Impressionen aus dem Stück Bildergalerie
Pressestimmen
ZWEI OTELLOS GEISTERN DURCHS HOTEL
Alle neun Aufführungen ausverkauft: Das muss man erst mal schaffen. Mit der witzig-spritzigen Boulevardkomödie Otello darf nicht platzen ist den Volksschauspielen Ötigheim dieses Kunststück gelungen. Hannes Beckert landete zur Eröffnung des Theaterjahrs 2018 am Freitagabend in der kleinen Bühne einen Volltreffer. Seine flotte und launige, aber nie in Richtung Klamauk abdriftende Inszenierung des Tür-auf-Tür-zu-Lustspiels von US-Dramatiker Ken Ludwig schlug ein wie eine Bombe. An schlagfertigen Dialogen und umwerfender Situations- und Verwechslungskomik, gewürzt mit eingebauten Gags wie Merkels Wir schaffen das!, herrschte in der kurzweiligen Farce über Starkult und Theaterwahnsinn kein Mangel. Am Ende gab’s tosenden Applaus und Ovationen.
Mehr als zwei Stunden lang flitzten die spielfreudigen Darsteller als liebevoll-skurril gezeichnete Typen durch die aberwitzige Handlung und zeigten sich dabei in Topform – die jungen Füchse genauso wie die alten Hasen. Was gibt’s auch Schöneres als das eigene Metier, die Bretter, die die Welt bedeuten, auf die Schippe zu nehmen. Michael Lerner baute das dazu passende Bühnenbild: ein zweiteiliges Interieur in Braun- und Beigetönen mit vielen Holztüren und freiem Blick auf den Wohn- und Schlafbereich einer noblen Hotelsuite. Dort warten Operndirektor Saunders und Assistent Max ungeduldig auf die Ankunft des weltberühmten Opernsängers Tito Merelli, der am Abend im Opernhaus Cleveland ein Gastspiel als Titelheld in Verdis Otello geben will. Doch der Startenor verspätet sich. Als er schließlich eintrifft, fühlt er sich unwohl, ist müde, hat zu viel gegessen, zu viel getrunken und auch noch Krach mit der eifersüchtigen Gattin. Er verweigert die Generalprobe, versinkt wenig später in einen Tiefschlaf und wird für tot gehalten. Zuvor hatte er auf dem Bett den Abschiedsbrief seiner Gemahlin entdeckt. Sie hat ihn verlassen. Es scheint, als habe er sich mit einem Rotwein-Pillen-Cocktail ins Jenseits befördert. Die Opernaufführung droht zu platzen. Impressario Saunders tobt. Da wittert Max seine große Chance. Schon lange träumt des Direktors rechte Hand von einer Karriere als Sänger und bietet sich als Ersatz an. Doch kaum ist er als falscher Mohr von Venedig in Richtung Bühne unterwegs, erwacht der scheintote Merelli, wirft sich ins Kostüm und versucht ins Opernhaus einzudringen, wo Max gerade seinen Mega-Erfolg feiert. Nach der Vorstellung geistern plötzlich zwei Otellos, schwarz geschminkt und im roten Kostüm, durchs Hotel. Ein heilloses Durcheinander beginnt, doch am Ende wird natürlich alles gut.
Köstlich, wie Paul Hug als kleiner, runder, bärtiger Stupende Merelli mit großen Gesten und italienischem Akzent den eitlen, aber warmherzigen Bühnenstar und Weiberhelden gibt und dabei virtuos alle Tenor-Klischees bedient. Herrlich komödiantisch spielt Tobias Kleinhans den passionierten Hobbytenor Max, der als gefeierter Otello vom graumäusig-devoten Mädchen für alles zur herrlich-hinreißenden Diva mit Starallüren mutiert. Anna Beckert verzückt in der Rolle der bezaubernd-koketten und eigenwilligen Impressario-Tochter Maggie, deren Weg vom erträumten Abenteuer mit dem Startenor in die Arme von Max führt. Perfekt wird das Chaos durch den ruhmsüchtig-selbstherrlichen, immer nervöser werdenden Operndirektor Saunders (grandios: Kurt Tüg). Temperamentvoll-impulsiv spielt Lissi Hatz (im Wechsel mit Isabel Beckert) Merellis eifersüchtige Gattin. In weiteren Rollen gefallen Lukas Tüg als musikaffiner, stets neugieriger Hotelpage, Anna Hug, die mit einer Prise Verruchtheit die karrieregeile Opernsängerin Diana verkörpert, und Petra von Rotberg als Julia, die reichlich überdrehte Vorsitzende der Operngilde. (Ralf Joachim Kraft)
Otello darf nicht platzen ist eine Komödie des US-amerikanischen Dramatikers Ken Ludwig, der zahlreiche Hits am New Yorker Broadway und im Londoner West End landete. Hannes Beckert adaptierte die prickelnde Burleske für die Kleine Bühne in Ötigheim mit hohem Tempo und gigantischem Erfolg. Der tosende Applaus des Premierenpublikums sprach für sich.
Acht Darsteller trugen die Posse mit Herzblut, wahrhaftigem Genuss am Spiel und professionellem Timing vor, zogen die Zuschauer rasch in das Geschehen in Cleveland, Ohio, hinein. Dort warten in einer luxuriösen Hotelsuite (detailreiches, farbintensives Bühnenbild von Michael Lerner) Operndirektor Saunders (Kurt Tüg: weltmännische Noblesse, souveräne Verzweiflung) und dessen Assistent Max ungeduldig auf die Ankunft von Tito Merelli. Der Startenor aus Europa (Paul Hug: großartig in untrüglicher Luciano-Pavarotti-Aufmachung mit ausladender Gestik, ausgeprägtem italienischem Akzent) soll abends erstmals in der amerikanischen Provinz auftreten und in der Rolle des Mohrs von Venedig die Laufbahn des Operndirektors krönen.‘
Der Hype um Lo Stupendo, den wunderbarsten Klassiktenor der Welt, packt alle: vom schüchtern-durchsetzungsfähigen Hotelpagen (Lukas Tüg), der eigenwilligen Direktorentochter Maggie (Anna Beckert: süß und zielstrebig) über die karrieregepolte Opernsängerin Diana (Anna Hug: berechnend lasziv) bis zur Vorsitzenden der Operngilde (Petra von Rotberg: schwärmerisch, leicht affektiert).
Merelli reist mit seiner eifersüchtigen Gattin an. Die Verehrung weiblicher Fans weiß der Tenor zu genießen. Temperamentvoll und laut lebt Lissi Hatz daher den dauerhaften Östrogenüberschuss der argwöhnischen Ehefrau aus.
Merelli ist genervt, müde und hat Verdauungsprobleme. Die Zeit drängt, die Vorstellung naht. Schnell wirft er eine Handvoll Tabletten ein, fällt in einen komatösen Schlaf, wird für tot gehalten.
Die ausverkaufte Vorstellung droht zu platzen, wäre da nicht Max (Tobias Kleinhans in einer stressigen Rolle; sie verlangt ihm eine weite Spannbreite von Emotionen ab, die er meisterlich vermittelt). Max kann sehr gut singen. Warum nicht Merellis Stelle einnehmen? Problem gelöst? Mitnichten. Der italienische Star erwacht, womit das Abenteuer furiose Fahrt aufnimmt.
Mit delikater Ironie und viel Situationskomik lässt Hannes Beckert das vorprogrammierte Chaos unaufhaltsam über die Bühne donnern, wird die Geschichte aus Star-Kult, Premierenfieber, Sängertraum und junger Liebe zu einem sensationellen Happening präzise platzierter Pointen.
Mit zum Teil schillernden Kostümen stattete Christel Wild die Akteure aus. Karl Heinz Kellermann, Melanie Langenstein und Brigitte Reh lieferten die passende Maske.
Die schlechte Nachricht zum Schluss: Alle weiteren Vorstellungen der erlebenswerten Komödie sind ausverkauft. Da Vorfreude jedoch die sprichwörtlich schönste Freude ist, lohnt es sich allemal, auf die Wiederaufnahme im Herbst zu warten. (Manuela Behrendt)