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Ein Blick zurück auf unser Programm 2017 Luther

Am 31. Oktober 1517 veröffentlichte Martin Luther seine 95 Thesen an der Wittenberger Schlosskirche und läutete – unwissentlich – eine Rebellion ein. Auf der Suche nach einem Gott, der die Menschen nicht nur strafend mit den Schrecken des Fegefeuers und der Hölle bedroht, sondern auch gütig und tröstend für jeden Einzelnen persönlich erreichbar ist, wurde Luther zum Sinnbild der Reformation. 2017 jährt sich das Ereignis zum 500. Mal. Die Volksschauspiele ehrten Martin Luther mit einem Stück von Felix Mitterer. Mit Hunderten von Mitwirkenden, großen Chören, Reiterei, Tanz und opulenter Ausstattung zeichnete das Schauspiel Luthers Weg von seinem Eintritt ins Kloster, über den Thesenanschlag, seine Ächtung als Ketzer und das Versteck auf der Wartburg bis hin zur Hochzeit mit Katharina von Bora vor dem Hintergrund der Bauernkriege 1525. Regie führte Rebekka Stanzel.

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Freilichtbühne Ötigheim

Besetzung

Inszenierung Rebekka Stanzel, Musikalische Leitung Ulrich Wagner, Musik Hans Peter Reutter, Kostüme Karel Spanhak, Choreografie Andrei Golescu, Julia Krug, Bühne Bettina Scholzen, Spielleitung  Sabine Speck, Regieassistenz und Soufflage Sabine Speck, Sabine Stößer, Reiterinspektion Jutta Kühn, Simone Fettig, Schachberatung Kolja Kühn

PERSONEN

Martin Luther Simon David Grossenbacher, Justus Jonas Maximilian Knapp, Johann Lange / Markus Stübner / Franz v. Sickingen Sven Engel, Ulrich von Hutten Stefan Pikora, Johann Luther, Vater Hans-Peter Mauterer, Johann von Staupitz Kurt Tüg, Wenzeslaus Link / Leonhard Koppe Rudi Wild, Andreas von Bodenstein David Kühn, Georg Spalatin Stefan Brkic, Nikolaus Amsdorff Daniel Höfele, Pascal Wagner, Hieronymus Schurff Winfried Heck, Johannes Agricola / Johannes Bugenhagen Daniel Neu, Kurfürst Albrecht von Brandenburg Johannes Kühn, Agnes Pless, seine Konkubine Jessica Engel, Jakob Fugger Martin Kühn, Johann Tetzel Matthias Götz, Hieronymus Aleander / Ausrufer Gerold Baumstark, 1. Ablasskäufer/ ein armer Bauer Heinz-Peter Löffler, 2.Ablasskäufer / ein Bürger Thomas Weber, 3. Ablasskäufer / ein Bauer Walter Kühn, 4. Ablasskäuferin / eine arme Frau Claudia Körner, 1. Ablasskäuferin / Bürgerin Elisabeth Hug, Johann Eck Stefan Hunkler, Kardinal Tomaso Cajetan Paul Maier, Kurfürst Friedrich von Sachsen Roman Gallion, Philipp Melanchthon Lukas Tüg, Bauer Bernd Kessler, Siegfried Peter, Bäuerin Tina Kalkbrenner, Petra von Rotberg, Reiter, 1. Wache Johannes Tüg, 2.Wache Andreas Kühn, Reiter, Herold Caspar Sturm Rainer Bitterwolf, Jörg von Frundsberg Mario Scholz, 1. Bürger Heinz Lorenz, 2. Bürger Herbert Kölmel, Herzog von Croy Sadek Achache, Nikolaus Storch Winni Engber, Thomas Drechsel Christoph Dettling, 1. Nonne Marianne Lorenz, Gerlinde Minkus, 2. Nonne Jennifer Hofmann, Natalie Horldt, Katharina von Bora Anna Hug, Ave von Schönfeld Isabel Beckert, Margarethe von Schönfeld Leah Patzelt, Melanie Thilenius, Margarethe von Zeschau, Sabrina Lerner, Carolin Wegner, Veronika von Zeschau Lucy Schindele, Lisa Kary, Magdalena von Staupitz Stephanie Kuhn, Lonata von Golis Manuela Kühn, Ave Gosse Anna Beckert, Sabine Stößer, Elsa von Canitz Johanna Bernutz, Jennifer Hunkler, Thomas Müntzer Tobias Kleinhans, Gaukler Johanna Bernutz, Christoph Dettling, Winni Engber, Michael Patzelt, Mario Scholz, Jutta Wegner, Plakatkleber, Pedell Michael Kunzweiler, Drucker Ulrich Kalkbrenner, Lorenz Werny

Instrumentalensemble, Flöten Mariana Chacin, Bora Korkmaz, Meltem Özari-König Trompeten Jan-Olaf Glomb, Marc König, Johannes Merkel Posaunen Matthias Schmidt, Fabian Sucher, Andreas Rauber · Schlagzeug Manuel Bäuerle, Leon Braun, Thilo Ehmann, Leroy Kölmel, Lara Schelling, Robin Schubring

Reiterei der Volksschauspiele Ötigheim · Tanzgruppen der Volksschauspiele Ötigheim · Großer Chor der Volksschauspiele Ötigheim · Mönche, Nonnen, Bedienstete bei Hof, Landsknechte und Wachen, Bürgerinnen und Bürger der Spielergemeinschaft der Volksschauspiele Ötigheim

Pressestimmen

MONUMENTALGEMÄLDE EINER ZEITENWENDE
Luther boomt im Reformationsjubeljahr auf dem Theater. Für die 1906 in pädagogischer Absicht von dem katholischen Pfarrer Josef Saier begründeten „Volksschauspiele“ auf Deutschlands größter Freilichtbühne im mittelbadischen Ötigheim, zu denen pro Vorstellung rund 4000 Zuschauer aus allen Bevölkerungsschichten und Generationen in die überdachte Arena pilgern, hat der katholische Österreicher Felix Mitterer, ein ausgewiesener Spezialist für das Genre des Volkstheaters, (als Beitrag zur Ökumene?) sein nun uraufgeführtes Protestanten-Schauspiel „Luther“ geschrieben. Ihm und seiner Regisseurin Rebekka Stanzel sind dabei große naive Bilder gelungen, die sich wunderbar in das grünende Naturtheater mit seinen imposanten Bühnenbauten einfügen.
Hier hat der Begriff Volksschauspiele nicht nur wegen der Publikumsmassen – die übrigens von einer hervorragenden Organisation auf Parkplätzen, an Theaterkassen und im gastronomischen Pausen-Bereich betreut werden – noch seinen ursprünglichen Sinn. Denn vor der Kulisse einer mächtigen, aus (Pappmaché-)Quadern gemauerten Klosterburg samt ausladender Freitreppe tummelt sich allerhand Volk. Bis zu 600 Amateurdarsteller (einschließlich einiger Profi-Schauspieler) treten mit großen und kleinen Rollen aus den Riesenchören hervor. Auch Tanzgruppen und Instrumentalensembles wirken mit sowie eine auf breit angelegten Wegen sensationell agierende Reiterei.
Da sind historisch bunt kostümierte Bauern und Bäuerinnen unterwegs, Mönche und Nonnen, Bürger, Gaukler, Studiosi, Doktoren und Pfaffen, mit Spießen bewaffnete Landsknechte und sich neckende Buben und Mädchen. Von Zeit zu Zeit galoppieren geharnischte Reiter vorbei, auch fahren vornehme mit Pferden bespannte Kutschen vor, denen Würdenträger entsteigen. Alles fügt sich zum ausstattungsopulenten Ötigheimer Inszenierungsstil: Einfache, mit Kraftsprüchen gewürzte Sprache, behäbige Abläufe (die zu Längen neigen), Chöre, die im klassischen Sinn manchmal sehr lautstark und unterstützt von Bläsern und Trommlern, Volkes Stimme vertreten, Luther-Lieder (Ein feste Burg ist unser Gott) anstimmen oder in Brecht-Weill’scher „Mutter Courage“-Manier aufmüpfig singen (Musik Hans Peter Reutter).
Der Ablauf der 23 Bilder zeichnet ausschnitthaft Martin Luthers Weg von seinem (1505 erfolgten) Eintritt in das Erfurter Augustiner-Kloster bis zur Schlacht bei Frankenhausen (1525) nach, als aufständische Bauern in einem von den Fürsten befohlenen Blutbad enden. Teils handelt es sich um Szenen von höchster Dramatik. So auf der ins Publikums-Halbrund hinein gebauten Vorderbühne, wo der Fürsten-Finanzier Jakob Fugger (Martin Kühn) von Kurfürst Albrecht von Brandenburg (Johannes Kühn) die Einführung des Ablasshandels fordert: Eine Hälfte des Erlöses soll dem Papst zum Bau des Petersdomes in Rom zukommen, die andere die Schuldentilgung des Fürstbischoffs befördern, der während des Disputs auf seinem Thronsessel einer Konkubine zwischen die Beine fasst. Anschließend lässt der Dominikaner-Mönch Johann Tetzel (Matthias Götz) in einer an mittelalterliche Mysterien-Spiele erinnernden Szene (als Spiel im Spiel) senseschwingend Gevatter Tod auftreten und Fegefeuer-Höllenstrafen mit Hieronymus Bosch-Monstern ausmalen, um die verängstigt zuschauenden einfachen Leute seinen Ablassbrief-Händlern zu zutreiben. Wenig später lässt Luther seine 95 Thesen (gegen den Ablasshandel) an Kirchentüren anschlagen.
Alles läuft auf einen theatralischen Höhepunkt zu, als (am 18. April 1521) Luther vor  Kurfürsten und Kaiser Karl V. auf dem Reichstag zu Worms seine Schriften widerrufen soll und mutig widersteht. In seiner Borniertheit schätzt der päpstliche Ankläger Alexander (Gerold Baumstark) die Situation völlig falsch ein, während der vom Volk bejubelte Mönch und Professor aus Wittenberg, mit der Bibel argumentierend, den Papst angreift und seine Thesen verteidigt. Natürlich steht Simon-David Grossenbacher, der die Mammut-Rolle als Luther exzellent ausspielt, immer  im Zentrum. Äußerlich entspricht er zwar kaum dem tradierten Bild des wohlbeleibten, oft derben Reformators und wirkt wie ein vergeistigter Asket. Aber Überzeugungskraft und Glaubens-Leidenschaft stehen ihm gut zu Gesicht. Das Schlussbild mit ihm ist historisch nicht korrekt, doch dramaturgisch phänomenal ausgedacht. Die trotz Luthers Warnungen von Thomas Müntzer (Tobias Kleinhans) verführten und zu lärmenden Protest-Sprechchören aufgehetzten Bauern wollen zum Entscheidungskampf gegen ihre adeligen Unterdrücker antreten und werden von Frundsbergs Landsknechten schlagartig mit flammendem Kanonendonner nieder kartätscht. Martinus schreitet voller Schuldgefühle, die er klagend mitteilt, über die Leichen-Haufen und zieht desillusioniert als ein Geschlagener von dannen.
Lebhaft setzen sich auch Johann von Staupitz (Kurt Tüg), Luthers Vater (Hans-Peter Mauterer) und Luther-Hasser Johann Eck (Stefan Hunkler) in Szene. Luther-Beschützer Kurfürst Friedrich der Weise (Roman Gallion) und der raffinierte Papst-Verteidiger Kardinal Cajetan (Paul Maier) brillieren beim Schachspiel. Kaum eine der im Reformationsgeschehen handelnden Figuren wird vergessen. Ulrich von Hutten (Stefan Pikora) tritt als Reformations-Propagandist auf. Philipp Melanchthon (Lukas Tüg), in der damaligen Realität einer der wichtigsten Protagonisten, wird als Randfigur freilich unrichtig dargestellt. Und die „entlaufene“ Nonne, Luthers spätere Frau Katharina von Bora (Anna Hug), darf in einer anrührenden, recht einfältigen Ehe-Anbahnungs-Szene glänzen.
Da ist unter dem leitmotivisch wiederholten Motto Wir brauchen eine Reformation das farbenreiche und lebendige Gemälde einer Zeitenwende entstanden, das sich in der Vielfalt seiner Akteure wie ein Puzzle zusammensetzt. Der Applaus war beträchtlich. (Eckehard Uhlig)

ER HANDELT, WEIL ER HANDELN MUSS
Hier stehe ich, ich kann nicht anders – dieser Satz wird Martin Luther gern zugeschrieben, belegt ist er aber nicht. Und so hört man ihn auch nicht im opulenten Luther-Stück der Volksschauspiele Ötigheim, in dessen Text der Autor Felix Mitterer zahlreiche Originalzitate eingearbeitet hat. Aber man kann diesen Satz spüren. Denn Hauptdarsteller Simon David Grossenbacher vermittelt mit faszinierender Bühnenpräsenz und Sprechkunst (die freilich nie gekünstelt wirkt): Hier handelt ein Mensch, weil er handeln muss. Weil ihn etwas Grundsätzliches so sehr antreibt, dass er schlichtweg nicht in der Lage ist, einen Kompromiss einzugehen.
Dabei wirkt Grossenbacher, der als Profi-Schauspieler das eindrucksvoll aufspielende Amateur-Ensemble ergänzt, auf den ersten Blick gar nicht wie eine naheliegende Besetzung für den unbeugsamen Protestler: Er ist schmal, schon fast hager, und wird von fast allen seiner Mitspieler überragt. Und in den ersten Bildern wirkt sein Luther wie ein gebeugtes Männlein, das anlässlich eines Gewitters (das ausschließlich auf den Pauken im Orchestergraben stattfindet) ins Bibbern gerät und sich gleich darauf von seinem erzürnten Vater (Hans-Peter Mauterer) wegen seines Entschlusses, Mönch zu werden, heftig abwatschen lässt. Doch das Zaudern und stetige Selbstanklagen, das auch Luthers Beichtvater Johann von Staupitz (Kurt Tüg) die Geduld raubt, erweist sich als Basis für das spätere Geschehen: Luther erscheint hier als jemand, der verzweifelt eine Aufgabe sucht. Und als er diese Aufgabe endlich findet – nämlich dem schwelenden Zorn über die ausbeuterische Raffgier der verlotterten Kirchenfürsten eine Stimme zu verleihen – gibt er sich ihr entsprechend bedingungslos hin.
So wie Luther ein Mann des Wortes war, ist Grossenbacher ein Mann der Sprache. Mit seiner variablen Stimme, die besänftigend werben und schneidend anklagen kann, vermittelt er die impulsiven Stimmungsumschwünge, zu denen sich der Überzeugungstäter Luther immer wieder hinreißen lässt – etwa im Verhör durch den listenreichen Kardinal Cajetan (Paul Maier) und den polternden päpstlichen Nuntius (Gerold Baumstark).
Doch die rund dreieinhalbstündige Aufführung (drei Stunden Spielzeit, 30 Minuten Pause) ist natürlich nicht nur das Psychogramm der Titelfigur. Regisseurin Rebekka Stanzel bietet mit gutem Gespür für Dosierung, Dynamik und Dramaturgie alles auf, was das Publikum in Ötigheim erwarten darf: Bunte Volksszenen, Auftritte hoch zu Ross und per Kutsche, Tänze und Raufereien sowie viel Gesang. Dabei gelingen die Übergänge zwischen den 23 Bildern, in denen Mitterers Stück schlaglichtartig die Jahre 1505 bis 1525 durchmisst, fließend und organisch. Und je mehr sich das Geschehen von der theologischen Kritik an kirchlicher Willkür zum Kampf gegen Unterdrückung überhaupt verlagert, um schließlich in den blutig niedergeschlagenen Bauernaufständen zu münden, desto mehr entwickelt sich das Volk von der bühnenbelebenden Statisterie hin zum eigenständigen Akteur – bis hin zur konsequenten und nachhallenden Schlussszene.
Die zahlreichen Widersacher und Weggefährten Luthers sind überzeugend besetzt. Neben den bereits Aufgeführten unbedingt zu nennen sind Matthias Götz als dämonisch-demagogischer Ablassprediger Johann Tetzel, Martin Kühn als strippenziehender Kaufmann Fugger, Roman Gallion als schlitzohriger Kurfürst Friedrich, Stefan Brkic als treuer Sekretär Spalatin, Lukas Tüg als aufstrebender Melanchthon, David Kühn als eifernder Andreas von Bodenstein, Johannes Kühn als arroganter Kurfürst Albrecht, Stefan Hunkler als selbstgefälliger Professor Johann Eck, Tobias Kleinhans als aufpeitschender Thomas Müntzer sowie Anna Hug als Luthers Ehefrau Katharina von Bora, deren bissige Schlagfertigkeit der ohnehin abwechslungsreichen Aufführung gegen Ende eine weitere Note verleiht.
Stichwort Note: Die ebenfalls facettenreiche Musik von Hans Peter Reutter, aufgeführt unter der musikalischen Leitung von Ulrich Wagner, beschwört mit Flöten, Trompeten, Posaunen und Schlagzeug ein historisch stimmiges Klangbild herauf, das die gelungene Inszenierung akustisch abrundet. Kleiner Wermutstropfen: Zumindest bei der ersten Aufführung am Samstagabend war das Abmischungsverhältnis nicht optimal, worunter die Verständlichkeit nicht nur der Chorlieder, sondern auch mancher Dialoge litt. (Andreas Jüttner)

OPULENTES LUTHER-PUZZLE
Luther boomt im Reformationsjubeljahr auf dem Theater. Für die 1906 in pädagogischer Absicht von dem katholischen Pfarrer Josef Saier begründeten „Volksschauspiele“ auf Deutschlands größter Freilichtbühne im mittelbadischen Ötigheim, zu denen pro Vorstellung rund 4000 Zuschauer aus allen Bevölkerungsschichten und Generationen in die überdachte Arena pilgern, hat der katholische Österreicher Felix Mitterer, ein ausgewiesener Spezialist für das Genre des Volkstheaters, (als Beitrag zur Ökumene?) sein nun uraufgeführtes Protestanten-Schauspiel „Luther“ geschrieben. Ihm und seiner Regisseurin Rebekka Stanzel sind dabei große naive Bilder gelungen, die sich wunderbar in das grünende Naturtheater mit seinen imposanten Bühnenbauten einfügen.
Hier hat der Begriff Volksschauspiele nicht nur wegen der Publikumsmassen – die übrigens von einer hervorragenden Organisation auf Parkplätzen, an Theaterkassen und im gastronomischen Pausen-Bereich betreut werden – noch seinen ursprünglichen Sinn. Denn vor der Kulisse einer mächtigen, aus (Pappmaché-)Quadern gemauerten Klosterburg samt ausladender Freitreppe tummelt sich allerhand Volk. Bis zu 600 Amateurdarsteller (einschließlich einiger Profi-Schauspieler) treten mit großen und kleinen Rollen aus den Riesenchören hervor. Auch Tanzgruppen und Instrumentalensembles wirken mit sowie eine auf breit angelegten Wegen sensationell agierende Reiterei.
Da sind historisch bunt kostümierte Bauern und Bäuerinnen unterwegs, Mönche und Nonnen, Bürger, Gaukler, Studiosi, Doktoren und Pfaffen, mit Spießen bewaffnete Landsknechte und sich neckende Buben und Mädchen. Von Zeit zu Zeit galoppieren geharnischte Reiter vorbei, auch fahren vornehme mit Pferden bespannte Kutschen vor, denen Würdenträger entsteigen. Alles fügt sich zum ausstattungsopulenten Ötigheimer Inszenierungsstil: Einfache, mit Kraftsprüchen gewürzte Sprache, behäbige Abläufe (die zu Längen neigen), Chöre, die im klassischen Sinn manchmal sehr lautstark und unterstützt von Bläsern und Trommlern, Volkes Stimme vertreten, Luther-Lieder (Ein feste Burg ist unser Gott) anstimmen oder in Brecht-Weill’scher „Mutter Courage“-Manier aufmüpfig singen (Musik Hans Peter Reutter).
Der Ablauf der 23 Bilder zeichnet ausschnitthaft Martin Luthers Weg von seinem (1505 erfolgten) Eintritt in das Erfurter Augustiner-Kloster bis zur Schlacht bei Frankenhausen (1525) nach, als aufständische Bauern in einem von den Fürsten befohlenen Blutbad enden. Teils handelt es sich um Szenen von höchster Dramatik. So auf der ins Publikums-Halbrund hinein gebauten Vorderbühne, wo der Fürsten-Finanzier Jakob Fugger (Martin Kühn) von Kurfürst Albrecht von Brandenburg (Johannes Kühn) die Einführung des Ablasshandels fordert: Eine Hälfte des Erlöses soll dem Papst zum Bau des Petersdomes in Rom zukommen, die andere die Schuldentilgung des Fürstbischoffs befördern, der während des Disputs auf seinem Thronsessel einer Konkubine zwischen die Beine fasst. Anschließend lässt der Dominikaner-Mönch Johann Tetzel (Matthias Götz) in einer an mittelalterliche Mysterien-Spiele erinnernden Szene (als Spiel im Spiel) senseschwingend Gevatter Tod auftreten und Fegefeuer-Höllenstrafen mit Hieronymus Bosch-Monstern ausmalen, um die verängstigt zuschauenden einfachen Leute seinen Ablassbrief-Händlern zu zutreiben. Wenig später lässt Luther seine 95 Thesen (gegen den Ablasshandel) an Kirchentüren anschlagen.
Alles läuft auf einen theatralischen Höhepunkt zu, als (am 18. April 1521) Luther vor  Kurfürsten und Kaiser Karl V. auf dem Reichstag zu Worms seine Schriften widerrufen soll und mutig widersteht. In seiner Borniertheit schätzt der päpstliche Ankläger Alexander (Gerold Baumstark) die Situation völlig falsch ein, während der vom Volk bejubelte Mönch und Professor aus Wittenberg, mit der Bibel argumentierend, den Papst angreift und seine Thesen verteidigt. Natürlich steht Simon-David Grossenbacher, der die Mammut-Rolle als Luther exzellent ausspielt, immer  im Zentrum. Äußerlich entspricht er zwar kaum dem tradierten Bild des wohlbeleibten, oft derben Reformators und wirkt wie ein vergeistigter Asket. Aber Überzeugungskraft und Glaubens-Leidenschaft stehen ihm gut zu Gesicht. Das Schlussbild mit ihm ist historisch nicht korrekt, doch dramaturgisch phänomenal ausgedacht. Die trotz Luthers Warnungen von Thomas Müntzer (Tobias Kleinhans) verführten und zu lärmenden Protest-Sprechchören aufgehetzten Bauern wollen zum Entscheidungskampf gegen ihre adeligen Unterdrücker antreten und werden von Frundsbergs Landsknechten schlagartig mit flammendem Kanonendonner nieder kartätscht. Martinus schreitet voller Schuldgefühle, die er klagend mitteilt, über die Leichen-Haufen und zieht desillusioniert als ein Geschlagener von dannen.
Lebhaft setzen sich auch Johann von Staupitz (Kurt Tüg), Luthers Vater (Hans-Peter Mauterer) und Luther-Hasser Johann Eck (Stefan Hunkler) in Szene. Luther-Beschützer Kurfürst Friedrich der Weise (Roman Gallion) und der raffinierte Papst-Verteidiger Kardinal Cajetan (Paul Maier) brillieren beim Schachspiel. Kaum eine der im Reformationsgeschehen handelnden Figuren wird vergessen. Ulrich von Hutten (Stefan Pikora) tritt als Reformations-Propagandist auf. Philipp Melanchthon (Lukas Tüg), in der damaligen Realität einer der wichtigsten Protagonisten, wird als Randfigur freilich unrichtig dargestellt. Und die „entlaufene“ Nonne, Luthers spätere Frau Katharina von Bora (Anna Hug), darf in einer anrührenden, recht einfältigen Ehe-Anbahnungs-Szene glänzen.
Da ist unter dem leitmotivisch wiederholten Motto Wir brauchen eine Reformation das farbenreiche und lebendige Gemälde einer Zeitenwende entstanden, das sich in der Vielfalt seiner Akteure wie ein Puzzle zusammensetzt. Der Applaus war beträchtlich. (Eckehard Uhlig)

ÖTIGHEIM WÜRDIGT HITZIGEN REFORMATOR
Verzweiflung macht den Mönch. Das sagt Johann von Staupitz, Generalvikar jenes Wittenberger Augustinerklosters, in dem im Sommer 1511 der von Ängsten und Unsicherheit gepeinigte, um den rechten Sinn seines Lebens und seiner Kirche ringende Martinus Luther lebt. Diese Zweifel, die den Reformator sein Leben lang begleiten werden, stehen im Mittelpunkt des Schauspiels „Luther“, das der erfolgreiche Theater- und TV-Autor Felix Mitterer als Auftragswerk der Freilichtbühne Ötigheim geschrieben hat. Die dem christlichen Glauben verpflichteten, vor 111 Jahren gegründeten Volksschauspiele würdigen damit das große Jubiläum des Jahres, den Beginn der Reformation vor 500 Jahren, angestoßen durch Martin Luther. Würdenträger beider Konfessionen haben gestern die offizielle Premiere des Auftaktstücks im Ötigheimer Theatersommer besucht, eine Vorpremiere gab es bereits am Samstagabend.Felix Mitterer siedelt sein Stück in der Zeit zwischen 1505 und 1525 an. In 23 Szenen, die meist fließend ineinander übergehen, schildert er wichtige Episoden aus dem Leben des Reformators, beginnend mit dem Gelübde, Mönch zu werden, und endend mit seinem Entsetzen über die vielen Opfer des Bauernkriegs. Diese Bauern haben sich auch auf die von Luther verkündete Freiheit des Christenmenschen berufen. Die letzte Szene ist eine der eindrücklichsten des Stücks, wenn Luther gebrochen über das von Toten übersäte Schlachtfeld geht und feststellt, dass Prediger die größten Totschläger seien.
Mit den teils schwierigen Texten und einer Überfülle an Details ist das Stück ein harter Brocken. Die Szenenfolge ist fast dokumentarisch angelegt und enthält schwer erkennbare Zeitsprünge. Thesenanschlag, Bannandrohung, Reichstag zu Worms, Bibelübersetzung auf der Wartburg – es geht Schlag auf Schlag. Ein durchgehender Spannungsbogen fehlt. Die Straffung der fast dreieinhalbstündigen Spieldauer wäre von Vorteil gewesen.
Regisseurin Rebekka Stanzel, die auf der Ötigheimer Naturbühne bereits Umberto Ecos „Der Name der Rose“ inszenierte, nutzt auch jetzt wieder alle Vorteile, die diese einzigartige Bühne und ihr engagiertes Ensemble bieten: Große Volksszenen mit Gauklern und Feuerschluckern, dazu Reiter und Pferdekutschen, Kanonendonner, Posaunisten auf den Zinnen, Chöre und Tänze – es ist alles da, was man in Ötigheim erwartet. Die Bühnenmusik wird live gespielt, Hans Peter Reutter hat sie in einem gewagten Stilmix aus zeittypischen Klängen und heutiger Musik komponiert. Instrumentalensemble und Chöre werden vom Musikalischen Leiter der Volksschauspiele, Ulrich Wagner, mit Leidenschaft und Souveränität geführt.
Der Zuschauer erlebt in diesem Stück die Zeit Luthers hautnah. Es ist eine zweigeteilte Welt, in der Adel und Kirchenfürsten prassen und das Volk mit Steuern und Zöllen auspressen. Die höchsten Positionen in Kirche und Staat werden unter der Hand ausgehandelt, die deutsche Kaiserwahl ist eine Auktion – wer am meisten bietet, kauft den Zuschlag, heißt es einmal.
Das Geschehen erfordert enorm viele Rollenträger. Hier beweisen sich einmal mehr die bewährten Ötigheimer Darsteller wie etwa Martin Kühn in der Rolle des einflussreichen Jakob Fugger, Matthias Götz als skrupelloser Ablasshändler, Paul Maier als vorsichtig taktierender Kardinal Cajetan, Roman Gallion als eigenständig denkender Kurfürst Friedrich, Johannes Kühn als allzu genussfreudiger Albrecht von Brandenburg oder Stefan Hunkler als geifernder päpstlicher Nuntius.
Zu Luthers engsten Gefährten zählen David Kühn als frei redender Bodenstein, Lukas Tüg als Melanchthon und Stefan Brkic als Spalatin, der zwischen dem Reformator und dem schützenden Kurfürsten die Verbindung hält. Kurt Tüg gibt den väterlichen Abt Staupitz mit ruhiger Würde. Tobias Kleinhans spielt den Thomas Müntzer. In den gut herausgearbeiteten Szenen mit Hans-Peter Mauterer als Luthers brutal prügelndem Vater werden auch persönliche Beweggründe des Reformators deutlich. Spät erst lernt er Katharina von Bora kennen (Anna Hug) – die Spielszenen mit der pragmatischen Ex-Nonne zählen zu den heiteren Momenten in diesem Lebensbogen.Für die Titelrolle hat Ötigheim den Schauspieler Simon David Grossenbacher ins Team geholt. Sein Luther ist kein lauter Held, sondern tatsächlich jenes zarte „Mönchlein“, das einen schweren Gang geht – zäh, mutig, mit hitzigem Temperament. Grossenbacher setzt auf differenzierte, oft leise Töne, was auf der riesigen Bühne nicht immer eine durchschlagende Wirkung erzielt. Der lange Abend der Vorpremiere wurde mit Applaus und Bravos für den Hauptdarsteller gewürdigt. (Sabine Rahner)