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Ein Blick zurück auf unser Programm 2016 Der Schüler Gerber

Die Volksschauspiele Ötigheim begannen das Jahr 2016 auf der kleinen bühne mit einem Schauspiel des österreichischen Gegenwartautors Felix Mitterer. Der Schüler Gerber thematisiert die zeitlosen Kämpfe der Jugend um Anerkennung von Lehrern und Eltern, Geliebten und Freunden. Premiere wurde am Freitag 29. Januar 2016, 20.00 Uhr im Zimmertheater in der Ötigheimer Kirchstraße gefeiert. Kurt Gerber ist ein begabter Schüler und steht kurz vor der Reifeprüfung. Der sadistische Professor Kupfer aber quält ihn nicht nur ständig mit seinen Schwächen im Fach Mathematik sondern nutzt auch sonst jede Gelegenheit, ihn zu demütigen. Kurt Gerber belastet aber nicht nur die Schule: Seine erste Liebe ist eben gescheitert, sein Vater todkrank und so will er ihm eine schulische Enttäuschung ersparen. Es bleibt ihm nur, den ungleichen Kampf mit dem übermächtigen Professor aufzunehmen… Friedrich Torberg schrieb seinen Roman Der Schüler Gerber, auf dem das Stück basiert, unter dem Eindruck von zehn Schülerselbstmorden in einer einzigen Woche des Jahres 1929. Der Stoff aber ist, so ist Regisseur Gerhard Franz Brucker überzeugt, nach wie vor hochaktuell: Auch heute prallen oft die nach vorne, in die Zukunft gerichtete, nach Neuem strebende Jugend und starr in Traditionen gefesselte Gesellschaftskreise aufeinander und schaffen kaum zu lösende Konflikte, wenn sie nicht fähig und bereit sind, von einander zu lernen, auf einander zuzugehen, sich auszutauschen, indem sie miteinander über die kontroversen Standpunkte sprechen, und schließlich im Streben nach einer Konfliktlösung ein Stück weit miteinander zu gehen. Hierfür bedarf es aber toleranter, nach Gerechtigkeit strebender Menschen. Sadisten, wie Prof. Kupfer in übergeordneten Positionen sind prädestiniert, menschliche Katastrophen zu provozieren. Daran hat sich bis heute nichts geändert. ‚Mobbing‘ ist ein Begriff gerade unserer Tage.

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kleine bühne im Tellplatz-Casino, Ötigheim

Besetzung

Regie Gerhard-Franz Brucker, Regieassistenz Alexander Grünbacher, Leonora Mihajlov, Melanie Wild, Bühne Michael Lerner, Licht Lukas Späth, Michael Tubach, Thorsten Wild, Kostüme Ulrike Weßbecher, Maske Karl-Heinz Kellermann, Ton Lothar Höfele, Steffen Sachsenmaier

PERSONEN

Kurt Gerber Tobias Kleinhans, Lewy Felix Behringer, Weinberg Julian Baumstark, Benda Lukas Tüg, Zasche Sven Engel, Schönthal Torben Frey, Pollak Alexander Höfele, Lisa Berwald Judith Herz, Prof. Kupfer Matthias Götz, Prof. Mattusch Werner Nold, Vater Albert Gerber Roman Gallion, Mutter Gerber Lissi Hatz

Pressestimmen

Kurzweiliges Schauspiel, das unter die Haut geht

Der Schüler Gerber ist der Titel des Schauspiels, das am Freitag im vollbesetzten Saal der Kleinen Bühne Ötigheim Premiere hatte. Wer eine harmlos-heitere Version der beliebten Feuerzangenbowle erwartete, wurde schon bei der Begrüßung durch den Vorsitzenden der Volksschauspiele, Pfarrer Erich Penka, umgestimmt. Bei dem gebotenen Stück ging es vielmehr um das Lenken und/oder Verbiegen von Kindern und Jugendlichen und darum, welche Kräfte auf Heranwachsende wirken.
In einer Wiener Schule der 1920er Jahre herrscht noch immer der Geist der Donaumonarchie, und die Schüler sind den Schrullen und der Willkür ihrer Lehrer ausgeliefert. Ich muss die Matura schaffen, sagt sich jeder Schüler, doch nicht allein die Leistung zählt: Während der gutmütige Professor Mattusch, genannt Asso alias Werner Nold, mit den Schülern sein und ihr letztes Schuljahr gut über die Runden bringen will, schikaniert der Mathematiklehrer – genannt Gott Kupfer – seine Klasse mit lächerlichen Befehlen. Dabei beobachtet er aufmerksam jeden Keim von Opposition. So hat sich der Schüler Gerber durch eine leichtfertige Äußerung die Gunst von Professor Kupfer verscherzt, der ihn von nun an auf dem Kieker hat und keine Gelegenheit versäumt, den Schüler zu bestrafen – mit schlechten Noten oder Karzer.
Dabei hat es Gerber schwer genug in dieser Phase des Erwachsenwerdens: die erste Liebelei mit Lisa, die ihn nicht ernst nimmt; die Erwartungen der Eltern, die das Beste für den Sohn im Auge haben, die Rücksicht auf den herzkranken Vater, schließlich die Mitschüler, für die er kein Streber sein will. Ob einer die Matura bei mir schafft oder nicht, ist längst entschieden, bemerkt Professor Kupfer süffisant, als Gerber endlich wie besessen lernt. Doch erst als der Schüler sich vor ihm erniedrigt, lässt er Gerber die schriftliche Prüfung bestehen – um ihn bei der mündlichen vollkommen bloßzustellen. Die Geschichte endet dramatisch.
Der aus Tirol stammende Felix Mitterer (Jahrgang 1948) ist den Volksschauspielen Ötigheim durch die Bearbeitung von Franziskus bekannt. Der Autor, der selbst einmal Lehrer werden wollte, hat sich des Stoffs nach dem Roman von Friedrich Torberg angenommen, weil Mobbing in der Schule ein brisantes Thema ist. Das bestätigten auch die Gespräche der Zuschauer, von denen viele noch Ohrfeigen oder sogenannte Tatzen in der eigenen Schulzeit erlebt haben. Der Schüler Gerber, glänzend gespielt von Tobias Kleinhans, wird jedoch nicht geschlagen. Sein Martyrium besteht in der völligen Ohnmacht des Schülers gegenüber der Allmacht des Lehrers, die daher rührt, dass mit dem Reifezeugnis alles auf dem Spiel steht. Ohne Abi bist du nichts, würde das Pendant im heutigen Bildungssystem lauten, wenn Staat und Gesellschaft dem formalen Schulabschluss eine alles überragende Bedeutung zusprechen – und damit zugleich den verantwortlichen Lehrkräften.
Das Bühnenbild mit liebevollen Details wie alten Schulbänken, altertümlichen Ranzen und Aktentaschen schuf Michael Lerner, die Kostüme Ulrike Weßbecher. Die Rolle des Sadisten ist vortrefflich besetzt mit Matthias Götz, wie auch die übrigen Mitwirkenden allesamt überzeugen – vor allem die Darsteller der Schüler. Hiermit hat sich die Kleine Bühne bewährt als Forum, wo Nachwuchsschauspieler der Theatergemeinde, die durchweg Laien sind, Erfahrungen sammeln und sich auf das Regiefach vorbereiten können. Assistiert von Alexander Grünbach, Melanie Wild und Leonora Mihajlov hat Gerhard Franz Brucker das Schauspiel kurzweilig inszeniert. So unterhält „Der Schüler Gerber“ mit zahlreichen amüsanten, für das Schülerleben typischen Szenen – und geht zugleich unter die Haut. (Irmgard Stamm)

Machtkampf sensibel inszeniert

Zwei kurze Monologe der Hauptfiguren, dann fällt der Blick auf das Klassenzimmer eines Realgymnasiums im Wien des Jahres 1929: Schüler Gerber wird dort in den nächsten zwei Stunden zum Inbegriff des in der Schule und im Leben, im Kampf um Anerkennung und Liebe scheiternden jungen Menschen. Was Friedrich Torberg 1929 unter dem Eindruck von zehn Schülerselbstmorden niederschrieb, zeigt noch immer Wirkung. Gegenwarts-Autor Felix Mitterer bearbeitete den Roman fürs Theater und lieferte 1999 eine Bühnenfassung, die am Freitagabend in der Kleinen Bühne der Volksschauspiele Ötigheim Premiere feierte.

81 Besucher erlebten in einer sensiblen, beklemmend-dichten Inszenierung von Gerhard Franz Brucker, in vielen kurzen Szenen, einen tragisch endenden Schüler-Lehrer-Machtkampf, den manch ein Zuschauer vielleicht ähnlich erlebt hat und vermutlich froh darüber war, dass die eigene Geschichte besser ausging als die des Schülers Gerber. Hoch motiviert und mit großer Spielfreude brachte das zwölfköpfige Ensemble aus acht Nachwuchstalenten und vier alten Hasen den nach wie vor aktuellen Stoff auf die Bretter und erntete dafür am Ende lang anhaltenden Beifall. Schonungslos ließen sie die Zuschauer hautnah miterleben, wie Kurt Gerber, ein begabter aber etwas fauler Schüler, gegen den sadistischen Mathe- und Klassenlehrer Professor „Gott“ Kupfer aufbegehrt, wie er letztlich den ungleichen Kampf gegen den autoritären Mobber und selbstherrlichen Menschenschinder verliert. Kupfer macht den Schülern mit seiner unerbittlichen Lehrmethode am Vorabend des Nationalsozialismus das Leben zur Hölle. Gerber, ein Genie zwar, aber alles andere als ein Mathe-As, muss die Matura, die Reifeprüfung, unbedingt bestehen. Davon hängt neben dem späteren Studium vor allem das Leben seines herzkranken Vaters ab, dem er eine Enttäuschung ersparen will. Ohnmächtig sehen die Zuschauer mit an, wie Kurts Sorge um den Vater und die erste unglückliche Liebe zur früheren Mitschülerin Lisa Berwald Gerbers Verzweiflung und Zerrissenheit so weit vorantreiben, bis er sich nach der nicht bestanden geglaubten Reifeprüfung aus dem Fenster stürzt. Kandidat Leben ist tot. Was sich auf der Simultanbühne mit ihren nebeneinander aufgebauten Schauplätzen bis dahin abgespielt hat, geht unter die Haut und an die Nieren. Stark im Ausdruck, glänzt Tobias Kleinhans in der Rolle des Kurt Gerber, der – reifer als die Klassenkameraden – an der Gemeinheit eines Einzelnen, einer unglücklichen Liebe und der Verständnislosigkeit seines Umfeldes zerbricht. In der Rolle seines Widerparts brilliert Matthias Götz als eitler, von Minderwertigkeitskomplexen zerfressener Profilneurotiker Gott Kupfer, der sich durch seine kindischen Machtspiele selbst erhöht, aber damit als völlig unreif entlarvt. Felix Behringer als lässig-abgebrühter Lewy, von Beruf Sohn, Julian Baumstark (sympathisch als Gerbers bester Freund Weinberg), Lukas Tüg als couragierter Musterschüler Benda, der „Gott“ Kupfer Paroli bietet und plötzlich verstirbt, Sven Engel als temperamentvoller Klassenclown und Underdog Zasche sowie Torben Frey und Alexander Höfele als die später Gerber zur Seite stehenden Mathestreber Schönthal und Pollak, spielen die dem Psychoterroristen Kupfer ausgelieferten Schüler. Klar in der Charakterzeichnung und präzise in der Umsetzung, skizzieren sie die unterschiedlichen Typen, wie man ihnen so oder ähnlich noch heute in Schulklassen begegnet. Den schülerfreundlichen Gegenpol zum niederträchtigen Widerling Kupfer verkörpert anrührend sympathisch Werner Nold als Deutschlehrer Professor Mattusch. Judith Herz – die alberne, affige Puppe (Weinberg) – überzeugt in der Rolle der körperlich frühreifen, aber sonst völlig unreifen Lisa Berwald. In den Rollen der Eltern gefallen Lissi Hatz als stets besorgte Mittlerin im Hintergrund und Roman Gallion als krankes Familienoberhaupt, das alles tut, um drohendes Unheil abzuwenden. (Ralf Joachim Kraft)