Ein Blick zurück auf unser Programm 1998 Andorra
Hannes Beckert inszeniert 1998 Max Frischs Schauspiel in zwölf Bildern Andorra. Das Regiedebüt gelingt – die Premiere am 7. November wird von Presse und Publikum enthusiastisch gefeiert. Als Andri brillieren Markus Siegwarth und Markus Wild, Barblin wird von Tanja Bastian und Steffi Bauer verkörpert. In weiteren Rollen spielen: Werner Bouché, Lissi Hatz, Elisabeth Hug, Heinz-Peter Löffler, Werner Sachsenmaier, Roman Gallion, Günter Vogt, Alexander Schwörer, Bernd Hagemann und Paul Maier. Für die Kostüme sorgen Helmi Hensserl, Leonie Nold und Christel Wild, in der Maske arbeiten Karlheinz Kellermann und Nicole Bertsch. Handlung Max Frisch zeigt in seinem Stück, dass das Vorurteil menschliches Handeln bestimmt. Er selbst betonte, dass Andorra nicht den gleichnamigen Zwergstaat in den Pyrenäen meint, sondern der Name ist für ein Modell: das Modell einer Gesellschaft, in der das Motiv des Andersseins zur dramatischen Verwicklung führt. Die Hauptperson ist Andri, ein passiver Held, der als Opfer gesellschaftlicher Vorurteile das Schiksal erleidet, das seine Umwelt über ihn verhängt. Dieses Schiksal heißt in Frischs Stück „ein Jud“ sei, und Andri nimmt es als das seine an. Doch auch der von der andorranischen Geselschaft gelebte Antisemitismus ist hier nur ein Modell; er steht für alle anderen kollektiven Vorurteile, die nicht weniger verbrecherisch und unmenschlich sind, für Rassenhass, Völkerfeindschaft, religiösen Wahn, Ausländerfeindlichkeit oder ähnliches. Keine Gesellschaft ist vor diesen Vorurteilen gefeit, denn Vorurteile sperren sich jeder Überprüfung. Vorurteilhaftes Verhalten kennt verschiedene Grade der Steigerung und die Aktivität auf einer Stufe erleichtert den Übergangzur nächsthöheren: Auf Verleumdung folgt Vermeidung, darauf Diskriminierung; diese kann zur körperlichen Gewaltanwendung führen oder schließlich gar zur Vernichtung des Opfers. In Max Frischs Andorra wird das Vorurteil in allen Graden praktiziert. Es dient der verlogenen Selbstrechtfertigung einer Gesellschaft, der ihr Selbstbewußtsein abhanden gekommen ist.