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Ein Blick zurück auf unser Programm 2019 Die Räuber

#MeToo in Die Räuber: Amalia von Edelreich entreißt ihrem Vergewaltiger – Franz heißt die Kanallie – den Degen und wehrt sich: Siehst du, Bösewicht, was ich jetzt aus dir machen kann? – Ich bin ein Weib, aber ein rasendes Weib – Wag‘ es einmal mit unzüchtigem Griff meinen Leib zu betasten – dieser Stahl soll deine geile Brust mitten durchtrennen. Ein allein erziehender, überforderter Vater, zwei Söhne, Franz, ein psychopatischer, gieriger Machtmensch, Karl, ein romantischer Idealist, Hauptmann einer Räuberbande, kein Happy-End. Marcel Reich-Ranicki über das Erstlings-Stück des 19-jährigen Schiller: Eines der schönsten Stücke der deutschen Literatur. Es ist ein einziger Vulkanausbruch, eine Explosion der Jugend, geschrieben mit einem ungeheuren Schwung…

Bei den Volksschauspielen nahm sich Peter Lüdi 2019 dem Stoff an und gab damit seine Abschiedsinszenierung bei den Volksschauspielen. Die Premiere fand am 10. August 2019 statt.

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Freilichtbühne Ötigheim

Besetzung

Inszenierung und Bühne Peter Lüdi, Regieassistenz Sabine Speck, Kostüme Karel Spanhak, Spielleitung und Soufflage Sabine Speck

PERSONEN

Maximilian Graf von Moor Hans-Peter Mauterer, Karl, sein älterer Sohn David Kühn, Franz, sein jüngerer Sohn Martin Trippensee, Amalia von Edelreich Anna Beckert, Spiegelberg Reinhard Danner, Schweizer Martin Kühn, Grimm Felix Hempel, Razmann Lukas Tüg, Schufterle Sven Engel, Roller Christoph Dettling, Kosinsky Tobias Kleinhans, Schwarz Julian Baumstark, Herrmann Paul Maier, Daniel, Hausknecht bei Moor Hannes Beckert, Pastor Moser Matthias Götz, Ein Pater Kurt Tüg, Räuber Winni Engber, Winnie Heck, Andreas Herzog, Ulrich Kalkbrenner, Kolja Kühn, Michael Kunzweiler, Jonas Landhäuser, Dieter Mergl, Daniel Neu, Carsten Schendel, Mario Scholz, Sascha Siegel, Patrick Speck, Benjamin Stutz, Lorenz Werny

Pressestimmen

RACHE IST MEIN GEWERBE

Es ist ein anderes Bild der Volksschauspiele Ötigheim, das sich in der dritten Premiere dieser Saison bietet – nach Münchhausen und dem Kinderstück Der gestiefelte Kater wird es mit Schillers Räubern richtig ernst im weiten Rund der Freilichtbühne. Keine überwältigenden Massenszenen, keine rasant galoppierenden Reitergruppen, keine Chöre – dafür selbstzerstörerische Monologe, manische Figuren mit gespaltener Zunge und gezücktem Degen, am Ende ein leichenübersätes Familienschlachtfeld. Regisseur Peter Lüdi gelingen vor allem im zweiten Teil des Dramas ein paar spektakuläre Bilder: Das Schloss der ehemals hoch angesehenen Familie von Moor brennt am Ende lichterloh, die verwegenen Räuber stehen davor als Schattenrisse wie in einem bösen, schwarzen Comic. Dazu wählt Lüdi Westernmusik, eine ironische Note, die die verzweifelte Geschichte nur unwesentlich abmildert.
Schließlich leuchtet Schillers zeitlos gültiger Satz an der Schlossmauer auf: Die Schaubühne wirkt tiefer als Moral und Gesetz. Peter Lüdi, früherer Intendant des Theaters Baden-Baden und häufiger Gastregisseur der Volksschauspiele, verabschiedet sich jetzt von dieser Spielstätte im großen Stil. Die Räuber – das ist Friedrich Schillers jugendlicher Freiheitsschrei, sein Durchbruch als gerade mal 19-jähriger Dichter. Es ist ein Thriller, von dem Schiller selbst in einer Vorrede schreibt, er sei eigentlich unspielbar, man könne die Handlung nicht in die Schranken eines Theaterstücks einzäunen. Tatsächlich hat er so komplexe Figuren erschaffen, wie man sie eigentlich nur in einem Roman so schattierungsreich ausmalen kann. Es ist das Drama eines Vaters, der seine beiden Söhne verkennt: Der alte Moor wird als gütiger Patron dargestellt, aber Schiller zeigt auch, dass er schwerste Fehler gegenüber seinen Kindern begangen hat, und dass er sich allzu leicht beeinflussen lässt. Sein vergötterter Sohn Karl ist nicht nur ein Engel, ein Kleinod des Himmels, sondern auch ein Hitzkopf, beim geringsten Widerstand bereit, sein munteres Studentenleben in einer brutalen Räuberbande fortzuführen. Ein edler Rächer zwar, der vor allem den Reichen nimmt und den Armen gibt, aber doch ein Gesetzesloser.Und Franz, die Kanaille? Ein geborener Fiesling ist auch er nicht, denn hätte er Vaterliebe erfahren, wäre der Bruderzwist womöglich nie entstanden. Ein erstaunlich reifes Werk für einen so jungen Dichter – und für das Publikum eine dreistündige Herausforderung.Die Ötigheimer Laienschauspieler präsentieren sich auf einem Niveau, das sicher seinesgleichen sucht: Sprachlich gut geschult, darstellerisch nie überagierend, füllen sie ihre Rollen ganz individuell aus, allen voran David Kühn als immer wieder innehaltender, zweifelnder Räuberhauptmann Karl, Martin Kühn als sein treuester Haudegen-Freund Schweizer und Reinhard Danner, der eine brillante Darstellung der Brutus-Figur in diesem Stück abliefert – Räuber Spiegelberg hält sich selbst für den besseren Anführer. Martin Trippensee, der einzige Profi im Team, gibt den intriganten Franz von Anfang an mit voller Emphase. Eine große Leistung, allein von der Textmenge her, doch hätte man sich hier mehr Differenzierung, mehr kalte Berechnung statt solcher Dauererregung vorstellen können.Anna Beckert taucht als charaktervolle Amalia – die einzige Frauenrolle des Stücks – die Bühne bei jedem Auftritt in ein wärmeres Licht. Sie zeigt eine auffallend emanzipierte junge Frau in edlen Kostümen (Karel Spanhak), die sich weder einschüchtern noch irreführen lässt. In weiteren Rollen überzeugen Paul Maier (Hermann), Kurt Tüg (Pater) und Matthias Götz (Pastor Moser), Hans-Peter Mauterer gibt dem alten Grafen Moor Würde.Peter Lüdis Inszenierung nutzt die Vorderbühne für die intensiven Textpassagen, die weiträumigen Seitenteile der großen Naturbühne werden nur gelegentlich bespielt, dann aber wird ordentlich Pulver verschossen. Im Räuberlager lässt Lüdi die Männer bei Fackelschein auch mal Rockiges singen und belebt damit sofort den Zuschauerraum. Der erfahrene Regisseur baut selbst die hereinbrechende Sommernacht ins Spiel ein, mit der äußeren Dunkelheit wird auch die Handlung immer düsterer. Wenn der alte Hausdiener Daniel (bewegend gespielt von Hannes Beckert) aus dem Schloss schleicht, liegt kein Licht mehr auf der großen Freitreppe, das unheilvolle Ende spielt sich unter einzelnen Scheinwerfern ab und wirkt umso authentischer. Karl von Moor gibt hier sein Schicksal nicht wie bei Schiller in die Hände der Justiz, sondern richtet sich selbst.Standing Ovations belohnen diesen anspruchsvollen, ansprechenden, manchmal auch sperrigen Theaterabend, bei dem die Volksschauspiele einmal mehr ihre große künstlerische Bandbreite beweisen. (Sabine Rahner)

HOCHTOURIG DEKLAMIERTES PATHOS

Zum Irrenhaus, wie 1782 die Uraufführung des Stückes das Mannheimer Theater, verwandeln Friedrich Schillers „Die Räuber“ Deutschlands größte Freilichtbühne bei den Volksschauspielen in Ötigheim nicht. Es gab jedenfalls bei der Premiere keine rollenden Augen, geballten Fäuste, in Ohnmacht fallende Damen und kaum stampfende Füße, von denen damalige Augenzeugen berichten. Dafür hochtourig deklamiertes Pathos und fesselnde Szenen, aber auch Momente, die mit ihren mordlustigen Übertreibungen an der Grenze zu Lachnummern entlangschrammten.
In der Mitte das aus wuchtigen Quadern gefügte, von zwei oktogonalen Ecktürmen eingefasste Schloss, rechts Fachwerkbauten mit Arkaden, links grüne Wiesen und eine felsige Gebirgslandschaft, auf der Vorderbühne erhöhte Podien und darunter die Katakomben: Natürlich muss auf der opulenten Naturbühne in Ötigheim mit diesen Breitwand-Kulissen – in dieser großformatig-malerischen Umgebung – pathetisch agiert und gespielt werden. Zudem erwartet das Volksschauspiel-Publikum eine traditionsgesättigte Aufführung ohne moderne Regietheater-Fisimatenten. Peter Lüdi, der in Ötigheim schon öfters Regie geführt hat, erfüllt mit seiner Räuber-Inszenierung diese Vorgaben par excellence. Und auch Kostümbildner Karel Spanhak befleißigt sich, die Mimen handlungszeitnah auszustaffieren.
Wie zu seiner Zeit die gesamte intellektuelle Welt denkt Schiller durchdringend dialektisch in Schwarz-Weiß-Kontrasten, was bei menschlichen Charakteren psychologisch nicht immer einleuchtend scheint. Dem folgt Martin Trippensee in seiner Darstellung des gefühlskalten, machtgeilen jüngeren Sohnes Franz von Moor. Er gibt ihn als verschlagenen Bösewicht, der wie ein Horror-Clown mit Trompetenstimme verkündet: Herr muss ich sein!. Wenig geliebt vom Vater, den Hans-Peter Mauterer als erblindeten, senil greinenden Grafen von Moor vorstellt, intrigiert Franz gegen seinen älteren Bruder, und zwar mit Erfolg. So treibt des Grafen vermeintliche (von Franz mit gefälschten Briefen eingefädelte) Zurückweisung Karl von Moor, der sich vom geliebten Vater verstoßen fühlt, in die Rebellion. Er wandelt sich vom leichtlebigen Leipziger Studenten zum Räuberhauptmann samt Bande in den böhmischen Wäldern. David Kühn lässt deutsches Heldenblut in seinen Adern rollen – spielt den Rebellen knabenhaft stürmisch, feurig, großspurig und liebessehnsüchtig als einen, der am Bau der Welt rüttelt, sich dabei unversehens auf mörderisches Handwerk einlässt und schuldig wird.
Für die Glanznummern der Ötigheimer Räuber sorgen Protagonisten aus der zweiten Reihe. Anna Beckert ist die Amalia, die von Franz begehrte Geliebte Karls. Sie führt ihren von Schiller ziemlich weltfremd angelegten Part mit einer patenten Leichtigkeit und mädchenhaften Natürlichkeit aus, dass man von ihrem Sprechen und Spiel begeistert sein muss. Paul Maier agiert in seiner Rolle als der von Franz für sein Ränkespiel benutzte Bastard Herrmann genauso großartig wie Hannes Beckert als greisenhafter, sein Seelenheil rettender Diener Daniel. Auch Matthias Götz ist als rhetorisch versierter Pastor Moser im Disput mit dem abgründig philosophierenden Franz exzellent. Sie alle stehen für nachhaltige Dramatik und hervorbrechende Sprachgewalt. Wie überhaupt den Akteuren für ihre klar verständliche Artikulation ein Sonderlob gebührt.
Die Bandenmitglieder – der prahlende Spiegelberg (Reinhard Danner), der treue, tapfere Schweizer (Martin Kühn), Grimm (Felix Hempel), Razmann (Lukas Tüg), Schufterle (Sven Engel), Roller (Christoph Detting), Kosinsky (Tobias Kleinhans) und Schwarz (Julian Baumstark) sorgen als Raufbolde für Mord und Totschlag, vor allem aber für launig auflockernde Passagen, die in der gut dreistündigen Freilichtdarbietung vonnöten sind: Da wird mit ohrenbetäubendem Explosionsknall ein Pulverturm in die Luft gejagt, ein Sieges-Fackeltanz zelebriert oder das Schloss (auf der Suche nach Franz) lärmend in Brand gesetzt.
Allerdings: der Schluss dieser insgesamt gelungenen Dramen-Interpretation missglückt. Aus unerfindlichen Gründen lässt Lüdi seine Inszenierung nicht, wie in Schillers Text vorgesehen, mit Karl Moors großartiger Geste ausklingen, sich der Justiz zu stellen und einem armen Schlucker eine Belohnung zu sichern. Vielmehr erdolcht Karl Amalia, die von der Bande eingefordert wird, und im gleichen Akt theatralisch sich selbst – der Moritaten eine zu viel. (Eckehard Uhlig)